Unsere Maren hatte sich für einen Start beim diesjährigen Innsbruck Alpine TrailRun Festival entschieden.
Wie es Ihr dabei ergangen ist, lest Ihr in Ihrem Rennbericht:
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„Schritt für Schritt“ wiederhole ich wie ein Mantra in meinem Kopf und zwinge mich damit weiter zu laufen. Meine Uhr piept – ein weiterer Kilometer liegt hinter mir. „Nur noch sechs Kilometer“, denke ich, doch dies stimmt natürlich nicht.Es sind zwar tatsächlich nur noch 6 km, aber eben nicht bis zum Ziel, sondern bis zum nächsten Verpflegungspunkt (VP). Dabei habe ich schon 34 km in den Beinen – und mittlerweile den Tiefpunkt meines Ultratrails erreicht.
Aber halt: Wieso mache ich das Ganze überhaupt?
Angefangen hat alles vor sehr vielen Jahren während der Schulzeit. Damals wurde ich über eine Freundin auf den Laufsport aufmerksam. Mich begeisterte die Einfachheit des Sports: Einfach ein paar Lauschuhe an und los geht’s. Außerdem waren ihre Eltern Läufer und dadurch trotz des fortgeschrittenen Alters noch sehr fit. „Genauso möchte ich auch später sein“, dachte ich und fing auch an zu laufen. Erst 3 km. Und dann 5 km. Und bei dieser Distanz blieb ich eine sehr lange Zeit. Das Laufen begleitete mich durch verschiedene Phasen des Studiums, gesündere und weniger gesunde. Aber egal wie viel Stress ich hatte oder wie ungesund ich mich ernährte: Das Laufen blieb ein fester Bestandteil meines Lebens. Nie lang und nie besonders intensiv, immer nur so 5 km alle zwei bis drei Tage.
Erst während meines zweiten Studiums fing ich an längere Distanzen zu laufen. Ich trainierte auf einen 10 km Lauf, dann auf einen Halbmarathon und schließlich entdeckte ich das Trailrunning für mich. In den Bergen fand ich das, was mir im Alltag oft schwerfällt: Eine Möglichkeit, meinen Kopf freizubekommen und meine Grenzen auf eine gesunde Art und Weise auszutesten und auszudehnen. Dementsprechend sagte ich sofort zu, als ein Bekannter mich fragte, ob ich Lust auf die Teilnahme an einem Trailevent habe. Dieses bestand aus einem 15-km-Lauf am ersten und einem 25-km-Lauf amzweiten Tag (Walser Trail Challenge). Ich meisterte beide Distanzen ohne große Probleme und danach war mir klar: Ich bin bereit für einen Ultratrail. Und so musste ich auch nicht lange überlegen, als ich Ende März die Möglichkeit für einenStartplatz beim Innsbruck Alpine Trail Festival bekam. Ein Event, das bekannt ist für die gute Stimmung, für gemäßigte Steigungen und flowige, wenig technische Trails. Perfekt also für erste Erfahrungen im Bereich des Ultratrails. Ich meldete mich an und legte mit dem Training los. Und musste schnell feststellen: Auch, wenn meine Laufrunden mittlerweile mindestens 7-12 km lang sind, und ich auch mal an einem Wochenende ohne Probleme 20-30 km laufen kann, so ist der Sprung zu 67 km doch noch ziemlich hoch. Dementsprechend ambivalent war mein Gefühl vor dem Lauf und ich war mir auch absolut nicht sicher, ob ich es schaffen könnte.
Was mir jedoch in dieser ganzen Unsicherheit sehr geholfen hat, war die sehr gute Organisation des Events. Von der Anmeldung über die ersten Informationen bis hin zu den finalen Infos kurz vor dem Beginn – über alles wurde stets transparent und zeitnah informiert. Die Suche nach einer passenden Unterkunft gestaltete sich dagegen etwas schwieriger, da fast alle Unterkünfte in Innsbruck für das Wochenende schon ausgebucht waren. Aber schließlich fand ich noch ein gemütliches AirBnB mit geteilter Küche und Badnicht weit vom Starpunkt entfernt.
Ich reiste am Tag vor dem Rennen an und war wie immer von der ersten Minute an verliebt in die Stadt. Die umliegenden Berge, der sportliche Vibe und die schöne Altstadt sind einfach einzigartig. Und noch dazu liefen überall Trailrunnerinnen und Trailrunner rum. Ich nahm mir genug Zeit, um noch die Expo zu besuchen und durch die Stadt zu schlendern, bevor es dann am Abend zum Race-Breefing ging.Hier wurde sehr kurzweilig und unterhaltsam durch die wichtigsten Themen geführt: Von der Organisation der Starts, über schwierige Abschnitte bis hin zum Verhalten bei Unwetter oder sogar einem Rennabbruch: Alle Themen (und seien sie noch so unwahrscheinlich bei 28 Grad und bestem Sonnenschein) wurden abgedeckt. Danach waren alle zwar noch ein bisschen aufgeregter, aber auch bereit für den Lauf. Ich holte noch eine Freundin vom Bahnhof ab (die selbst zwar nicht laufen würde, mich jedoch dankenswerterweise ein bisschen anfeuern wollte) und nach einer stärkenden Pizza ging es bald ins Bett – mental fühlte ich mich vorbereitet, was den körperlichen Teil anging: Mal schauen.
Mein Wecker klingelte um kurz vor vier, aber ich war eh schon wach. Ich versuchte noch etwas zu frühstücken, notierte mir, wann die Cut-Off Zeiten für die VPs sein würden und wann ich idealerweise diese passieren wollte. Dann lief ich los – und merkte schon nach wenigen Schritten, dass mir übel ist. Und zwar so richtig. Ich musste mich also noch vor dem Start übergeben, aber immerhin: Danach ging es mir besser. Und die gute Stimmung im Startbereich tat noch ihr übriges dazu. Und schließlich hieß es 3, 2, 1 und los. Mein erster Ultratrail stand bevor. Ich war beflügelt und hatte plötzlich alle Energie wieder, die ich in den Wochen vor dem Event so vermisst hatte. Es lief einfach. Auf den ersten Kilometern überholte ich einige Läuferinnen und Läufer und kam viel früher als geplant bei der ersten VP an. Diese war, wie alle noch folgenden VPs,super organisiert. Schnelles Auffüllen der Getränke, passendes Essen, Toiletten. Ich versuchte möglichst schnell alles abzuhandeln und dann weiter zu laufen. Nach wie vor sehr motiviert und energiegeladen. Die Strecke führte einmal um Innsbruck, wobei es die meiste Zeit über flowige Trails ging die richtige Laune machten. Und dazu hatte man immer die hohen Berge direkt im Blick.
Leider verpasste ich es über die ganze Motivation des Anfangs mich richtig zu ernähren – meine einzige Verpflegung bestand aus Coffein-Gums – was schnell zu einer Rückkehr der Übelkeit führte. Egal wie gut der Kuchen an den VPs aussah, ich konnte einfach nichts mehr essen. Doch an diesem Punkt kam eine Sache zu tragen, die sehr spezifisch für Ultra-Läufe sind: Der mentale Aspekt spielte zunehmend eine genauso große Rolle wie die körperliche Fitness. Und diesen Punkt versuchte ich jetzt auszuspielen. Neben den Mantras im Kopf („Schritt für Schritt“, „leicht und schnell“) unterteilte ich mir die Strecke in einzelne Etappen, rechnete verbleibende Distanzen immer nur noch bis zur nächsten VP, versprach meinem Körper, er dürfe die ganze nächste Woche nur auf dem Sofa sitzen und stellt mir vor, wie Freunde und Familie mich anfeuerten. Und so schaffte ich es trotz Übelkeit, trotz Schmerzen und zunehmender Kraftlosigkeit schließlich ins Ziel. Als neunte in meiner Altersgruppe und elfte Frau overall.
Die Stimmung im Ziel war gigantisch und auch hier zog sich die gute Organisation der Veranstaltung fort. Man konnte duschen, es gab eine große Auswahl an kostenlosem Essen und Trinken, sowie Massagen und Recovery-Boots zum Testen. Das ließ ich mir nicht entgehen und nach ein paar wohltuenden Minuten in den Boots ging es dann wieder nach draußen, wo auch meine Freundin schon wartete. Wir bejubelten den Zieleinlauf der anderen Läuferinnen und Läufer, aßen leckeren Flammkuchen von den Foodtrucks und tauschten uns mit den anderen Rennteilnehmerinnen und Teilnehmern aus. Und obwohl ich mir während des Rennens noch sicher war, so etwas nie wieder zu machen, recherchierte ich schon am nächsten Tag nach weiteren Events.
Wenn mir heute jemand erzählt, dass er oder sie zwar gerne laufe, aber eben immer „nur so kurz“ denke ich mir oft: Ja und? Genauso habe ich auch angefangen. Es geht nicht darum, immer ganz weite Distanzen zu absolvieren. Es geht darum, Spaß daran zu haben und es gerne zu machen. Und wenn das nur 5 km sind, dann ist das besser als nichts. Und wer nicht gleich eine Ultradistanz laufen möchte: Im Rahmen des Innsbruck Alpine Trail Festivals gibt’s alle Distanzen – vom 7 km Firmenlauf bis zum 110 km Ultratrail. Also gibt es eigentlich keine Ausrede mehr, nächstes Jahr nicht selbst mitzulaufen.
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